Erhalt regionaltypischer Obstsorten
Auf Grundlage eigener Erhebungen sowie der Auswertung von historischen Sortenempfehlungen und Baumschulkatalogen der Region kann davon ausgegangen werden, daß in Luxemburg etwa 450 regionaltypische Obstsorten vorkommen. Das Ziel des Aktionsplan Bongerten ist der Erhalt von 450 regionaltypischen Obstsorten.
In den letzten 100 Jahren ging der Obstbaumbestand in Luxemburg von 1,2 Mio. Bäume anfang des 20. Jahrhunderts auf heute unter 200.000 Bäume zurück. Dies bedeutet ein Rückgang von rund 90%! Mehr als die Hälfte der noch verbleibenden Hochstammobstbäume sind in einem desolaten Zustand und werden in den nächsten Jahren aus der Landschaft verschwinden. Dieser Trend wird sich dramatisch fortsetzen. Von den heute noch stellenweise vorkommenden, flächigen Bongerten werden dann nur noch einige wenige Bäume vereinzelt in der Landschaft stehen. Um diesem Verlust entgegenzuwirken, engagiert sich die natur&ëmwelt / Fondation Hëllef fir d’Natur seit Jahren mit Aktionen zum Bongertenerhalt und zur Neuanlage von Bongerten.
Parallel dazu wurden aber auch laufend Bemühungen unternommen, um landwirtschaftliche Betriebe zu gewinnen, um den Fortbestand der Bongerten auf ihrem Land zu gewährleisten. Ohne sinnvolle Nutzung der Bäume und des Obstes wird es aber keinen Fortbestand der Bongerten geben. Deshalb wurden auch Aktionen zur Sicherung der Verwertung, der Vermarktung sowie die Sensibilisierung der Konsumenten durchgeführt um die Qualität regionaler und heimischer Produkte aus Bongerten zu stärken.
Im November 2010 hat die natur&ëmwelt / Fondation Hëllef fir d’Natur den nationalen Tag des Baumes ganz ins Zeichen der Bongerten gesetzt und nicht nur in Remerschen gemeinsam mit der SEO (Société Electrique de l’Our) einen neuen Sortenbongert gepflanzt, sondern den Tag auch dazu genutzt, ihren Aktionplan Bongerten der Öffentlichkeit vorzustellen.
Der Obstbau lieferte bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts ein zusätzliches Einkommen in der Landwirtschaft. Durch den Rückgang der Wirtschaftlichkeit verlor der Hochstammobstbau jedoch zunehmend an Bedeutung. In den 1970er Jahren wurden sogar Prämien für die Rodung der Bongerten gezahlt, in der Hoffnung, den damals neu aufkommenden und viel versprechenden Plantagenobstbau zu fördern. Heute wissen wir, dass diese Politik nicht nur tödlich für viele Bongerten und die damit verbundene Bongertenkultur war, sondern auch dem Plantagenobstbau nicht geholfen hat.
Seit jener Zeit wurden kaum noch neue Obstbäume gepflanzt. Die bestehenden Bäume werden älter, vergreisen und verschwinden aus der Landschaft. Der „Generationswechsel“, d. h. der Ersatz alter Bäume durch junge Bäume ist nicht erfolgt. Der Schwund der Bongerten wird sich also auch in den nächsten Jahren fortsetzten. Ganze Landschaften, vor allem im Osten Luxemburgs werden ihren typischen Charakter verlieren, prägen doch gerade die Bongerten das Erscheinungsbild des Sauer- oder Trintingertals sowie der Nebentäler der Mosel. Obstsorten, die über Jahrhunderte entstanden und von Generation zu Generation weitergegeben worden sind, werden aussterben und für immer verschwinden; unter ihnen Sorten mit hervorragenden Eigenschaften, die zum Teil sogar in Luxemburg entstanden sind (z.B. Luxemburger Triumph, Luxemburger Reinette, Luxemburger Mostbirne) oder Sorten, die seit Jahrhunderten in unseren Landschaften beheimatet sind. Diese Fülle an verschiedenen Sorten ist ein unschätzbar wertvolles Erbe unserer Vorfahren, und droht jetzt auszusterben.
Mit dem Verschwinden der Bongerten geht ein Verlust an obstbaulichem Wissen einher. Bereits heute beherrschen nur noch wenige Leute die Kunst des Veredelns, die Kenntnis der Sorten oder den fachgerechten Rückschnitt der Obstbäume. Ein ehemalig florierender Wirtschaftszweig der Landwirtschaft droht für immer auszusterben, weil die Bongerten (zur Zeit…) wirtschaftlich nicht rentabel sind und es kostengünstiger ist, Obst aus dem fernen Ausland einfliegen zu lassen.
Besonders im Osten Luxemburgs hat der Rückgang der Bongerten auch eine soziale Komponente, werden doch vielerorts auch heute noch Obstfeste (Viz-Fest, Quetschefest, Nëssmoart, …) veranstaltet. In der Bevölkerung ist nach wie vor ein großes Interesse an den Bongerten vorhanden. Mit dem Verschwinden der Bongerten geht eine tief in der Bevölkerung verankerte Dorf-Kultur mit Jahrzehnte langer Tradition verloren.
Wenn die Bongerten heute ihren wirtschaftlichen Aspekt weitestgehend verloren haben, so stellen sie für den Naturschutz eine ungemein wichtiges Biotop dar, in dem etliche tausend Arten von Pilzen über höhere Pflanzen, Insekten, Säuger und Vögel leben können. Der Rückgang der Bongerten bedeutet einen Verlust an Lebensraum für etliche bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Auch wenn die Bongerten heute wirtschaftlich keine große Rolle mehr spielen, so sind sie aus kulturhistorischer und ökologischer Sich wertvoller denn je.
Um die Bongerten zu retten, bedarf es konkreter Projekte, die bereits formuliert sind, und die JETZT umgesetzt werden müssen. In 10 Jahren wird es zu spät sein.