Schützen Sie den Biber

Die Gestaltung der Landschaft durch den Biber – das Beispiel der Cornelysmillen (by Alexandra Arendt)

Als ausgerottet galt der europäische Biber Castor fiber in Luxemburg ab Anfang oder Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, ganz genau weiss man es nicht. Dank der europaweiten Unterschutzstellung und seiner Wiedereinbürgerung in verschiedenen europäischen Ländern breitete er sich ab Ende des zwanzigsten Jahrhunderts wieder aus. Die ersten Tiere sind um 2000 aus den Nachbarländern Belgien und Deutschland auch in Luxemburg eingewandert. Anfangs fiel der Biber aufgrund seiner geringen Zahl wenig auf. Bei den mittlerweile über 30 Tieren, die an den größeren Gewässern wie Sauer, Our, Woltz, Alzette, Eisch und Attert aktiv sind, häufen sich in letzter Zeit jedoch die Beobachtungen.

Die wohl untrüglichsten Zeichen, der Rückkehr des Bibers, sind säuberlich abgenagte Baumstämme an Gewässern. Durch seine semi-aquatische Lebensweise, braucht er Bäume, vor allem Weichhölzer wie Weiden, Erlen, die er umlegt um an die Äste zu kommen. Diese nagt er dann ab, um Dämme anzulegen, um seinen Bau zu gestalten und aus deren Rinde bezieht er sein Winterfutter.

Durch das Fällen von Bäumen und das Aufstauen vom Wasser übt der Biber eine große gestalterische Wirkung auf die Landschaft aus. In welchem Ausmaß die Art ihr Umfeld nach und nach verändert wird am Gebiet der Cornelysmillen deutlich. Unweit von Troisvierges wurden 1987 erstmals mehrere Stauteiche, die als Fischteiche genutzt wurden, von der lokalen Sektion der LNVL aufgekauft. Nach und nach kamen viele Flächen dazu, sodass über die Jahre ein über 30 Hektar großes zusammenhängendes Gebiet im Tal der Woltz entstand. An den Ufern des Baches, dessen Bett stellenweise sehr tief liegt, wurden Fichten entfernt, damit sich standortgerechtes Laubholz ansiedelt. Andere offene Flächen werden seitdem als Feuchtwiesen gepflegt. Zudem war angedacht das künstlich eingetiefte Bett der Woltz wieder anzuheben und somit die natürliche Verzahnung zwischen den Lebensräumen Wasser und Land wiederherzustellen. Die Planung und Vorbereitung solcher Maßnahmen ist wegen der hydraulischen Berechnung, dem Anfragen von Genehmigungen, sowie dem Einholen von Kostenvoranschlägen jedoch zeit-und kostenintensiv.

Daher war es erfreulich als sich die ersten Anzeichen eines freiwilligen Landschaftsgestalters, in Gestalt des Bibers, im Tal bemerkbar machten, der ganz nach seinem Gutdünken das Gewässer zu gestalten begann. Seine Präsenz führte relativ schnell zu einer deutlich erkennbaren Veränderung, sowohl an den Stauteichen, als auch an der Woltz und in deren Umfeld.

Ab 2010 wurden die ersten Bäume am Teichdamm von ihm umgelegt. Waren die Stauteiche bis dato ganz mit Wasser gefüllt und klar von der Woltz getrennt, so veränderte sich ab 2013 der Wasserstand des mittleren Teiches. Das Anlegen von Biberbauen im Damm führte zum Absenken des Wasserspiegels. Schlammflächen wurden auf einmal freigelegt. Der permanent niedrige Wasserstand führte ab 2018 zu deren spontanen Besiedlung durch Seggen, Binsen und semiaquatischen Pflanzen. Nicht destotrotz blieben nackte schlammige Flächen bestehen, bedingt durch den Wechsel des Wasserstandes. Sie sind besonders wichtig für z.B. Limikolen. Die Stauteiche mit ihren ehemals geometrischen Uferlinien verschmelzen zusehends mit ihrem Umfeld.

Durch das Anlegen von Staudämmen in der Woltz hat der Biber grundlegend in die Struktur des Baches eingegriffen. In dem monotonen Fließgewässer entwickelt sich eine neue Dynamik. Es entstehen eine Vielzahl von unterschiedlichen Lebensräumen; tiefe Wasserstellen direkt am Damm, flache und langsam fließende mit Schlamm angereicherte  Abschnitte oberhalb, schnell fließendes Wasser mit steinig-kiesiger Sohle unterhalb des Dammes. Durch den stellenweise hohen Wasserstand entledigt sich das Wasser seines Schlammes in der terrestrischen Vegetation, wodurch es klarer wird. Das abgenagte Totholz lagert sich stellenweise im Bach ab und bildet Schutz für die Fischbrut, aber auch Nistplätze für Vögel. Der Wechsel von abgenagten Bäumen und wieder austreibendem Holz, verjüngt die Ufervegetation und führt zu einem Mosaik unterschiedlichster Lebensbedingungen.

Je nach Jahreszeit steigt der Wasserstand bis zu 2 Meter, was zur großflächiger Vernässung der umliegenden Landlebensräume führt. Weil der Biber es vorzieht sein Futter schwimmend zu transportieren, buddelt er zudem hier zusätzlich noch Gräben, die sich mit Wasser füllen. So schafft er neue Stillgewässer, die für viele Amphibien-und Libellenarten von Bedeutung sind.

Die mehr als zehn Jahre alten Fichtenkahlschläge versumpfen. Auch hier führen die Aktivitäten des Bibers zu einem Mosaik an offenen und geschlossenen Biotopen. Baumarten, denen der Stress durch das Wasser nicht zusagt, sterben ab. Die toten Stämme werden zum Lebensraum für Pilze und viele Insekten.

Aufgrund der Größe der Fläche und dem freien Agieren des Bibers – es werden keine präventiven Maßnahmen umgesetzt um die Teiche oder Bäume zu schützen, auch wird kein Damm entfernt oder Graben wieder zugeschüttet – wird die Cornelysmillen zum Pilotprojekt, wie es kein anderes in der Form für Luxemburg derzeit gibt. Die an sich „anspruchslose Art“ hat in relativ kurzer Zeit einen großen strukturellen Impakt auf die Landschaft ausgeübt. In den nächsten Jahren sind genauere Untersuchungen von Tier-und Pflanzenarten erforderlich, um den tatsächlichen Einfluss auf die Lebensgemeinschaften ermitteln zu können.

Es lässt sich aber bereits jetzt schon behaupten, und das bezeugen Studien[1] aus dem Ausland, dass der Europäische Biber dazu beitragen kann der Zielsetzung des europäischen Netzwerks der Natura 2000 Schutzgebiete LU0002001 «Vallée de la Woltz et affluents de la source à Troisvierges» und  LU0001038 «Troisvierges-Cornelysmillen», ein Stück näher zu kommen. Tatsächlich trägt er durch seine Landschaftsgestaltung zur „Verbesserung der Gewässerstruktur, der Restaurierung des ökologischen Korridors entlang des Gewässers, des Erhalts und der Restaurierung der Gewässerdynamik in der Aue der Woltz, der Verbesserung des Nahrungsangebotes für durchziehende Vögel und der Bildung eines Mosaiks“ bei, alles genannte Ziele des Managementplans[2] der beiden zitierten europäischen Schutzgebiete. Der Biber kommt dieser Aufgabe nach, und zwar gratis. Dies ist in dem Ausmaß aber nur möglich, weil ihm ausreichend Fläche zu Verfügung stehen, auf der die Art frei agieren kann.

Dass die Aktivitäten des Bibers mit den Interessen des Menschen in der intensiv genutzten Landschaft Luxemburgs in Zukunft möglicherweise in Konflikt geraten könnten ist unvermeidbar. Deshalb wurde eigens für den Biber ein „Aktions-und Managementplan für den Umgang mit Bibern in Luxemburg“ ausgearbeitet[3]. Neben den fördernden Maßnahmen zur Akzeptanz des europäischen Bibers, hilft er mit Lösungsansätzen bei Konflikten und sieht finanzielle Entschädigungen bei diversen Schäden vor. Herausgeber ist die Natur- und Forstverwaltung. Für die Ausarbeitung des Dokuments wurde eine Begleitgruppe Biber gegründet, in der auch natur&ëmwelt mitgewirkt hat.

[1] Sommer R. et al. 2019. Der Einfluss des Bibers auf die Artenvielfalt semiaquatischer Lebensräume. Sachbestand und Metaanalyse für Europa und Nordamerika. Naturschutz und Landschaftsplanung 51 (03). 101-115

[2] Ministère du Développement durable et des Infrastructures, Administration de la nature et des forêts, 2018. Plan de gestion Natura 2000 « Vallée de la Woltz et affluents » pour les zones LU0002001 « Vallée de la Woltz et affluents de la source à Troisvierges », LU0001038 « Troisvierges-Cornelysmillen ». 22 p., 7 annexes

[3] Administration de la nature et des forêts, 2018. Technischer Bericht der Naturverwaltung betreffend Wildtiermanagement und Jagd. Nummer 6. Spezialnummer: Aktions-und Managementplan für den Umgang mit Bibern in Luxemburg. Ministère du Développement Durable et des Infrastructures. 39 S.