Neuer Aktionsplan Luxemburgs: Joghurt statt Wasser!

Der Bau einer, von der griechischen Molkerei-Gruppe FAGE, in Bettemburg geplanten Joghurtfabrik geht in die nächste Phase. Das Projekt wird bereits seit langem kontrovers diskutiert. Nun konnte das entsprechende Dossier bis zum 10. August eingesehen werden. Einige grundlegende Anmerkungen hierzu von natur&ëmwelt:

Sehr unglücklich ist, dass die öffentliche Konsultation eines solch wichtigen Dossiers in die Sommerpause fällt. Warum jetzt, während viele Vertreter aus Gremien, Institutionen sowie Nichtregierungs- und Umweltschutzorganisationen nicht reagieren können, weil sie sich vielleicht gerade im Urlaub befinden? Soll das Projekt etwa möglichst schnell und kommentarlos über die Bühne gehen? Oder geht man wirklich davon aus, dass Themen wie Trinkwasser und die Qualität der Oberflächenwasser die Gesellschaft nicht interessieren?

Hätte es dem Projekt so sehr geschadet, die öffentliche Konsultation bis Mitte September zu ermöglichen? Welche Sorgen quälen die Initiatoren? Wird breiter Protest befürchtet? Vielleicht ja, denn es geht um eine riesige Joghurtfabrik, die Unmengen an Trinkwasser benötigt, und noch mehr Abwasser in die Alzette leiten wird.

Seit Jahren ermahnt die Wasserwirtschaftsverwaltung die luxemburgische Bevölkerung zurecht regelmäßig, sparsam mit der Ressource Trinkwasser umzugehen. So wird beispielsweise den Privathaushalten empfohlen, in neue, wassersparende Armaturen zu investieren.

Warum aber sollen Privatleute hier Geld ausgeben, wenn auf der anderen Seite der Bau einer Joghurtfabrik genehmigt wird, bei dessen Produktionsbetrieb ein Trinkwasserverbrauch in der Größenordnung einer Kleinstadt von 18.000 Einwohnern prognostiziert wird?

Wie das Luxemburger Wort berichtet, hat “das Trinkwassersyndikat SES […] zugesichert, die Spitzenmenge von 400 Kubikmetern Wasser pro Stunde zu liefern.” Jedoch “muss SES allerdings Reserven bei der Sebes beantragen, die eigentlich nur für dringende Fälle bereitgehalten werden.”

Handelt es sich bei dem Projekt FAGE um einen dringenden Fall? Ist die Versorgung einer Joghurtfabrik mit einem Produktionsmittel Wasser dringlicher als die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung? Wenn die Trinkwasserreserven des Sebes der Joghurtfabrik zur Verfügung gestellt werden, welche Reserven bleiben dann noch?

Neben dem Wasserverbrauch fallen bei der Produktion Abwasser von 100.000 EW (Einwohnerwert), also dem Äquivalent einer 100.000-Einwohner-Stadt, an. Am Standort soll dafür eine neue Kläranlage entstehen. Es ist verwunderlich, dass an dieser Stelle eine Kläranlage eines Ausmaßes entstehen soll, die an anderer Stelle bereits seit über 20 Jahren geplant und noch immer nicht gebaut ist. Kritisch sehen wir es zudem, dass keine Untersuchungen dazu vorliegen, welche ökologischen Folgen die Klärwassereinleitung in die Alzette haben wird. Schließlich ist die Alzette bereits jetzt stark belastet. Die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union und das Europäische Gesetz unterbinden jegliche Degradierung der Oberflächengewässer in ihren Mitgliedstaaten.

Wird der Biodiversität der Bakterienkulturen im Joghurt mehr Wichtigkeit zugeschrieben, als der Biodiversität im und um das Gewässer der Alzette? Nach dem Motto : Vorbeugen ist besser als heilen, stellt sich die Frage: Wurde eine Impaktstudie in Auftrag gegeben, die gemäß den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie die wichtigen Fragen rund um Flora und Fauna analysiert?

Der Direktor der Wasserwirtschaftsverwaltung, Jean-Paul Lickes, hat unter anderem während seines letzten 100komma7-Auftritts erklärt, dass die Kapazitäten des Trinkwassersyndikats Sebes erweitert werden. Werden diese Arbeiten früh genug, also vor der Fertigstellung der Joghurtfabrik fertig sein, um der Bevölkerung im Falle eines Dürresommers genug Wasser garantieren zu können?

Anschließend ist nicht gesichert, ob für die Bereitstellung der großen Wassermengen infrastrukturell investiert werden muss. Wird also der Wasserpreis steigen?

Apropos Kosten: Wie hoch werden Kompensationskosten sein, sollte der Fabrikbetrieb doch einen (zu erwartenden) Impakt auf die Natur haben, und wer wird diese tragen? Wieso zahlt das Wirtschaftsministerium einem Privatunternehmen die Kosten für einen Abwasserkanal? Handelt es sich hier um einen Einzelfall oder kann jedes Unternehmen von dieser Dienstleistung profitieren?

Ein letzter Aspekt sei noch erlaubt: In den letzten Monaten wurde viel über die Themen regionale Lebensmittel und Nahrungsmittelsuffizienz diskutiert. Es ist bekannt, dass Luxemburg seinen eigenen Bedarf an Milch und Milchprodukten decken kann, aber lediglich 3-5% an eigenem Gemüse und nur 1% an Obst. Welchen strategischen Nutzen hat also eine Joghurtfabrik für Luxemburg? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, gezielt Projekte im Obst- und Gemüseanbau zu fördern?

Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit, erneuerbare Energien, effiziente Nutzung der Ressourcen (z.B. Wasser, Grauwasser, etc.), klima- und naturfreundliche Landwirtschaft, nachhaltiges, effizienteres Ernährungssystem – alles nur leere Parolen aus der Politik in COVID-Zeiten?

Das Projekt der Molkerei-Gruppe FAGE erfüllt jedenfalls kein einziges dieser Kriterien.

Waren die Parolen der vergangenen Monate nur heiße Luft? Lieber Joghurt statt Wasser, Biodiversität und Nachhaltigkeit?

Hoffentlich nicht! Jedenfalls müssen alle offenen Fragen geklärt sein, bevor der erste Spatenstich in Bettemburg erfolgt.

In dem Sinn, let’s make it happen!

 

Quellen: