Analyse des Koalitionsabkommens

Die drei Regierungsparteien DP, LSAP und déi gréng haben am Montag, den 3. Dezember ihr gemeinsames Programm für die kommende Legislaturperiode der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. natur&ëmwelt a.s.b.l. hatte im Frühjahr ihre Forderungen zum Thema Natur- und Umweltschutz kundgegeben und analysiert nun, inwiefern diese im aktuellen Regierungsabkommen berücksichtigt wurden.

Insgesamt kann man eine positive Bilanz ziehen, denn Natur-, Umwelt- und Klimaschutz haben durchaus ihren Platz in diesem Koalitionsvertrag. Wenn auch nicht alle von natur&ëmwelt geforderten Punkte wiederzufinden sind – von 62 Forderungen wurde genau die Hälfte zurückbehalten – sind wichtige Maßnahmen, die erheblich zum Schutz unserer Lebensgrundlage beitragen aufgenommen worden. Speziell in der Agrarpolitik erhoffen wir uns mit der ehrgeizigen Projizierung von 20% Biolandbau bis 2025 einen Wandel im aktuellen System. Das damit einhergehende Verbot von Glyphosat ab dem 31. Dezember 2020 zeigt politischen Willen, wenn auch Vorsicht geboten ist, denn giftige Alternativen stehen bereits in den Startlöchern. Die Landesplanung scheint ebenfalls auf Nachhaltigkeit und erhöhter Rücksicht auf Naturschutz ausgerichtet zu sein, abgesehen natürlich von den Plänen zur Realisierung diverser Umgehungsstraßen. Und letztlich scheint auch bei der Energieversorgung eine Trendwende im Anmarsch zu sein. Nun gilt es für die alte, neue Regierung Taten auf Worte folgen zu lassen und zielstrebig bei der Umsetzung vorzugehen.

Landesplanung

In der Landesplanung gibt es sowohl begrüßenswerte als auch weniger erfreuliche Punkte zu vermelden. Auf der einen Seite soll das sogenannte Szenario 3 des « Développement organisé et harmonieux du territoire » weiter als Leitfaden genutzt und die sektoriellen Pläne unter Berücksichtigung der Einwände und Anmerkungen der Gemeinden umgesetzt werden. Auch in der Mobilität wird weiter investiert und auf den Ausbau des öffentlichen Transports gesetzt. Allerdings müssen wir beklagen, dass verschiedene Umgehungsstraßen, in für den Naturschutz hoch sensiblen Gebieten, schnellstmöglich gebaut werden sollen.

Die 4 sektoriellen Pläne « logement », « paysages », « transports » und « activités économiques » sowie ein neuer Plan directeur d’aménagement du territoire (PDAT) werden in Einklang mit dem Szenario mit den 3 Agglomerationspools Luxemburg, Süden und Nordstad umgesetzt (S.164). Wir hoffen, dass diese Rahmenbedingungen möglichst schnell in Kraft treten, um einer weiteren Zerschneidung der Landschaft entgegenzuwirken. Positiv zu werten ist ebenfalls, dass die Regierung freiwillige Gemeindefusionen (S.37) unterstützen möchte, welche eine regionale Planung deutlich vereinfachen. Auch die Probleme der Industriebrachen sowie des Bauschutts werden mit dem neuen Bodenschutzgesetz voraussichtlich in Angriff genommen (S.182). Das Einplanen von Grüner Infrastruktur (S. 164: les communes seront encouragées à poursuivre un eco-urbanisme de qualité, entre autres en promouvant la végétalisation des bâtiments (toitures, façades) ainsi qu’en planifiant et maintenant des espaces verts à l’intérieur de leurs localités) wird mit finanziellen Mitteln gefördert. Letztlich wird auch der vom CSDD entwickelte « PIB du bien-être » (S.127) als komplementäres Instrument zum PIB zur Evaluierung der Politik zurückbehalten.

Bei der Mobilität sind massive Investitionen geplant, um die Strategie Modu 2.0 weiter auszubauen (S.38). Trotz dem generell sehr bemerkenswerten Fokus auf den öffentlichen Transport haben wir feststellen müssen, dass auch die Umsetzung diverser Umgehungsstraßen quer durchs Land auf der obersten Prioritätenliste zu stehen scheint (S.159). So haben die Contournements Hosingen (2à1), Heinerscheid (3à2) und Dippach (3à2) jeweils an Wichtigkeit zugelegt. Diese Entscheidung können wir nicht nachvollziehen, da hierbei Naturschutzgebiete in Mitleidenschaft gezogen werden. Besonders die geplanten Projekte in Bascharage (Priorität 1), Dippach, Alzingen (jeweils Priorität 2) und Kehlen (Priorität 3) durchschneiden Natura 2000 Gebiete und stellen somit eine große Bedrohung für die letzten Bestände seltener Arten dar. Lobenswert ist dagegen die Ausweitung und bessere Koordinierung des Schienen-, Tram-, und Busnetzes sowie die Berücksichtigung spezieller Anforderungen an den öffentlichen Transport im ländlichen Raum (S.41) und in der Großregion (S.42).

Fazit: alle 11 genannten Punkte zum Thema Landesplanung wurden im Regierungsprogramm aufgegriffen – 10 zu unserer Zufriedenheit und 1 (Umgehungsstraßen) die im Gegensatz zu unserer Forderung steht.

Landwirtschaft

Auch wenn Umwelt- und Landwirtschaftsministerium nicht näher zusammengerückt sind, stehen doch alle Zeichen auf Nachhaltigkeit in der vorgesehenen Agrarpolitik, ganz zur Freude von natur&ëmwelt. Die Biolandwirtschaft wird endlich ernst genommen und der Gebrauch von Glyphosat gehört ab 2021 der Vergangenheit an.

Sowie von der Plattform Meng Landwirtschaft, welcher natur&ëmwelt angehört und uns selbst gefordert, hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt bis 2025 mindestens 20% der Agrarfläche dem biologischen Landbau zu widmen und langfristig 100% Biolandwirtschaft in Luxemburg zu erreichen. Demnach wird zusammen mit allen Akteuren ein neuer Aktionsplan ausgearbeitet, um die nötigen finanziellen Anreize zur Umstellung zu schaffen sowie die Vermarktung voranzutreiben (S.199 + S.200). Darüber hinaus sollen alternative Initiativen, die umweltverträglicher arbeiten sowie Quereinsteiger aktiv gefördert werden (S. 195).

Das Verbot von Glyphosat ab dem 31. Dezember 2020 (S.180) begrüßen wir sehr. Nun gilt es auch für andere gefährliche Substanzen ein schnellstmögliches Phase-out zu planen und umzusetzen. In Schutzgebieten wird künftig verstärkt auf einen eingeschränkten Gebrauch von Pflanzenschutzmitteln geachtet (S.181). Randstreifenprogramme in diesen Gebieten, inklusive Pufferzonen würden die Maßnahmen noch aufwerten, sind jedoch nicht explizit vorgesehen. Der Anbau von Leguminosen als Ersatz zum Import von ggf. genmanipuliertem Soja aus Übersee wird eingeplant (S.201). Diese Initiative ist durchweg positiv zu werten, denn sie steigert deutlich den Schutz von Boden- und Wasserqualität. Wenn auch die Landwirtschaft ein eigenständiges Ministerium bleibt, so kann dennoch eine umweltfreundlichere Handschrift in der geplanten Agrarpolitik verzeichnet werden. Dazu trägt auch die Erweiterung der Beratung sowie eine finanzielle Anreizschaffung, welche nachhaltige Bewirtschaftungsformen bevorzugt, bei.

Fazit: Alle 5 Punkte zur Förderung der Biolandwirtschaft wurden aufgegriffen und ins Regierungsprogramm aufgenommen. Beim Naturschutz in der Landwirtschaft wurden von insgesamt 7 Punkten, 5 aufgegriffen, 4 davon zu unserer Zufriedenheit , lediglich 1 mit Luft nach oben (stärkere Vernetzung von Agrar- und Umweltministerium).

Naturschutz und Landschaftserhaltung

Wenn wir unsere Lebensgrundlage auf Dauer schützen und dem Artensterben entgegenwirken möchten, muss Naturschutz zur obersten Priorität werden. Dem Koalitionsabkommen fehlt dazu jedoch die Entschlossenheit. So werden Unterschutzstellungen von wichtigen Biotopen nirgendwo erwähnt, den Natura 2000 Schutzgebieten wird lediglich ein Satz gewidmet und auch bezüglich der Rechtsgrundlage für Umweltdelikte hätten ambitiösere Bedingungen geschaffen werden können.

Im Regierungsprogramm fehlen explizite Angaben bezüglich der Umsetzung der vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen. natur&ëmwelt hofft, dass im Rahmen des neuen Naturschutzgesetzes weitestgehend naturschutzfachlich sinnvolle Kompensationen die Regel sein werden. Auch zum Thema Offenland und Erhalt eines Landschaftsmosaiks hat die Koalition keinerlei Punkte im Programm. Dabei ist die Unterschutzstellung von wichtigen Biotopen äußerst wichtig im Kampf gegen das Artensterben. Bezüglich der Wald- und Forstwirtschaft begrüßen wir die Pläne eines neuen Waldgesetzes welches ein nachhaltiges Management unserer Wälder vorsieht (S.183). Darüber hinaus sollen Besitzer von Privatwald beim Erschaffen eines « plan de gestion durable » mit einbezogen werden, was hoffen lässt, dass die Biodiversität auch hier einen höheren Stellenwert bekommt. Beim Thema Natura 2000 Gebiete gibt es Verbesserungsbedarf: lediglich die « comités de pilotage », welche die Umsetzung der Managementpläne beschleunigen sollen wurden kurz erwähnt (S. 179). Dabei wurde das Wichtigste wohl vergessen – nämlich, dass ein umfassenderes Monitoring unerlässlich ist, um die Auswirkungen der Maßnahmen zu kontrollieren und eine Verschlechterung der Bestände zu vermeiden. Es ist zu befürchten, dass auch in Zukunft Delikte im Umweltbereich unbestraft bleiben, da Kontroll- und Überprüfungsmechanismen nicht beibehalten wurden. Auf legaler Ebene wird man in Zukunft lediglich auf die Sammelklage im Umweltrecht zurückgreifen können (S.20).

Fazit: von 16 Forderungen zur Verbesserung des Naturschutzes wurden lediglich 3 im Koalitionsvertrag behandelt.

Ressourcenschutz

Wasser- und Bodenschutz werden im Regierungsprogramm auf den Seiten 181-183 thematisiert. Dabei wird besonderen Wert auf den Trinkwasserschutz und das Abwassermanagement gelegt, was wir als natur&ëmwelt begrüßen. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die natürlichen Gewässer sich in einem schlechten Zustand befinden, und eine Aufwertung der Qualität dringend notwendig ist.

Besonders erfreulich ist, dass endlich ein neues Fischereigesetz gestimmt werden soll, um das völlig veraltete von 1976 abzulösen. Auch die Förderung von Flusspartnerschaften sehen wir positiv, da sie die Umsetzung wichtiger Gewässerschutzmaßnahmen beschleunigen können. Die weitere Ausweisung von Trinkwasserschutzzonen und die dazugehörige Beratung aller Akteure – auch in der Landwirtschaft – stellen einen bedeutenden Schritt zum Schutz dieser elementaren Ressource dar. Zur Verbesserung des Abwassermanagements sind der Ausbau und die Modernisierung der Kläranlagen geplant. Hinsichtlich des demographischen Wachstums und der steigenden Problematik von Mikroschadstoffen gilt es diesen Punkt zügig umzusetzen. Schließlich möchte die neue Regierung Renaturierungen unterstützen, um die Gewässerqualität zu steigern und Hochwasser vorzubeugen.

Leider wurden einige wichtige Elemente versäumt: konkrete Maßnahmen zur Aufwertung unserer Gewässer fehlen, die Entwicklung von Industrie-, Gewerbe- und Wohngebieten bekommen keinerlei Einschränkungen aufgrund des Wasserschutzes und auch beim Abwassermanagement hätten ehrgeizigere Projekte integriert werden können (Sensibilisierung der Bevölkerung zu Mikroschadstoffen, qualifiziertes Trennsystem usw.).

Sehr enttäuscht sind wir über die verfehlte Entscheidung, den Privatgebrauch von Pflanzenschutzmitteln zu untersagen. Es reicht nicht, in der Landwirtschaft entsprechende Maßnahmen einzuleiten, sondern ein Verzicht auf Pestizide muss auf der ganzen Linie durchgesetzt werden. Bei der Ressource Boden sind wir durchaus zufrieden, denn das neue Bodenschutzgesetz soll verabschiedet und das darin vorgesehene Prinzip des pollueur-payeur berücksichtigt werden.

Fazit: von 15 Forderungen zum Thema Wasserschutz wurden gerade mal 5 übernommen; beim Bodenschutz finden sich 2 von 3 im Programm wieder.

Erneuerbare Energie und Klimaschutz

Energieeffizienz wurde zur absoluten Priorität ernannt, eine Richtlinie welche natur&ëmwelt begrüßt, denn Energie einsparen hat großes Potenzial für die Nachhaltigkeit. Der Ausbau erneuerbarer Energie steht ganz oben auf der Agenda der neuen Regierung, um die Klimaziele zu erreichen; dabei soll vor allem auf Photovoltaik und Windenergie gesetzt werden (S. 189).

Besonders dem Ausbau von Solaranlagen wurde im Regierungsprogramm viel Text gewidmet, was wir sehr begrüßen, denn es gibt viele geeignete Standorte dafür in Luxemburg. So sollen Photovoltaikanlagen zum Beispiel auf Dächern von Industrie- und Agrargebäuden, auf den Geländen von Industriebrachen oder entlang der Autobahnen und Zuglinien im großen Stil installiert werden. Windenergie wurde weniger thematisiert. Wir hätten uns klare Richtlinien erhofft, um zu verhindern, dass Klimaschutz auf Kosten des Naturschutzes umgesetzt wird. Wichtige Vogelhabitate müssen berücksichtigt werden und die Installation von Windkraftanlagen in Waldgebieten ist strikt abzulehnen. Beim Biogas sind können wir uns nicht mit den Plänen der Regierung zufriedengeben, welche lediglich vorschreiben, dass Gülle vor Energiepflanzen als Substrat für Biogasanlagen bevorzugt werden soll. Der Anbau von Monokulturen wie Mais um Biogasanlagen zu speisen muss unterbunden werden.

Fazit: 4 unserer 5 Punkte sind im Koalitionsvertrag wiederzufinden. 2 davon sind sehr zu unserer Zufriedenheit (Energieeffizienz und Photovoltaik), 1 lässt zu viel Spielraum für Spekulation (Windenergie) und mit 1 sind wir nicht einverstanden (Biogas).

Die neue Regierung hat ein ehrgeiziges Programm zusammengestellt und den Erhalt unserer Lebensgrundlage dabei nicht vergessen. Wichtige Entwicklungen in der Landesplanung, der Landwirtschaft oder im Bereich der erneuerbaren Energie sind bereits in der Planung. Im Naturschutz hingegen besteht noch Bedarf zur Nachbesserung. Die Umsetzung von konkreten Maßnahmen zum Ressourcenschutz und zur Landschaftserhaltung erscheinen gesellschaftspolitisch vielleicht nebensächlich, sind aber für den dauerhaften Schutz unserer Umwelt entscheidend. natur&ëmwelt a.s.b.l. erhofft sich von der neuen Regierung bedeutende Veränderungen, die dem Artensterben und dem Klimawandel entgegenwirken und eine kohärente Politik, die einen nachhaltigen Stempel trägt.

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